Postoperatives Vorhofflimmern: Alter, Geschlecht, Ruheherzfrequenz

Philippa von Schönfeld - Donnerstag, 14.1.2021
Aufzeichnung eines Elektrokardiogramms.

Wie schön wäre es, Komplikationen voraussagen zu können, ehe erste Symptome auftreten? Von einem Modell, das sich daran versucht.

Bei kardiochirurgischen Eingriffen liegt die Inzidenz postoperativen Vorhofflimmerns bei bis zu 45 Prozent. Perioperative Auslöser können Elektrolytstörungen sowie strukturelle oder elektrische Veränderungen im Vorhof sein. Aber auch bei nicht-kardiologischen Thoraxoperationen kann postoperatives Vorhofflimmern zur folgenschweren Komplikation werden. Es ist in diesem Zusammenhang die am häufigsten auftretende Arrhythmie und mit einer verlängerten Behandlungsdauer sowie erhöhten Mortalität assoziiert. Da die Ätiologie multifaktoriell und bisher nicht gänzlich geklärt ist, kann das Wissen um Risikopatient:innen helfen, die Zeit bis zur Diagnosestellung und Therapie zu verkürzen. 

Wer ist also besonders gefährdet? Es gibt verschiedene Ansätze, ein Vorhersagemodell für postoperatives Vorhofflimmern zu schaffen. Im Jahr 2005 wurden von Passman et al. in einer Studie drei simple Prädiktoren benannt: fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht und eine Ruheherzfrequenz ab 72 Schlägen pro Minute. Eine Wichtung erfolgte mittels Punktevergabe, wobei das Alter als singulär größter Risikofaktor am stärksten gewertet wurde. Weitere Risikofaktoren wie eine Mitralklappenerkrankung oder eine linksatriale Dilatation wurden ausgelassen. Dennoch konnte die Klassifikation eine Vorhersagegenauigkeit von 67 Prozent erzielen. Das Studienkollektiv bestand aus 856 Krebspatient:innen, die zwischen 1991 und 2003 nicht-kardiale thorakale Operationen hatten.

Dieses klinische Vorhersagemodell wurde in einer 2019 publizierten Studie von Smith et al. erneut angewendet und erweitert. Die Studienpopulation schloss 2.036 Patient:innen ein, die aufgrund benigner oder maligner nicht-kardialer Erkrankungen im Bereich des Thorax operiert worden waren. Auch hier bestätigte sich die gute Kalibrierung des Modells. Unter Hinzunahme des Resektionssumfangs als Einflussfaktor wurde ein binäres System von “low risk” versus “high risk” entwickelt. Dabei wurden Pneumonektomie, Ösophagektomie sowie Lobektomie als extensive Eingriffe bezeichnet und entsprechend als “high risk” kategorisiert. Diese Einteilung stimmt mit Studien überein, die chirurgischen Stress als Risikofaktor für postoperatives Vorhofflimmern identifizierten.

Zur Prävention ist bei gefährdeten Patient:innen eine perioperative Prophylaxe denkbar. Die Evidenzlage ist allerdings bisher noch nicht geklärt. Bislang empfiehlt die American Association of Thoracic Surgery die Erwägung einer Medikation mit Amiodaron zur Prophylaxe bei Risikopatient:innen, ohne diese Risikogruppe klar zu definieren.

Das Vorhersagemodell könnte zur individuellen Abwägung einer Prophylaxe unter Einbeziehung der Patient:innen- und OP-abhängigen Risikofaktoren hilfreich sein und einen Anstoß zur weiteren Forschung zum postoperativen Vorhofflimmern geben.



Weitere Inhalte zu Klinik, Differentialdiagnosen und Therapie finden sich im unter Postoperatives Vorhofflimmern im AMBOSS-Kapitel Vorhofflimmern.

Quellen

  1. DOI: 10.1016/j.athoracsur.2004.10.058; 10.1093/ejcts/ezz341