Kleiner Buchstabe, große Wirkung

Inga Spanuth - Sonntag, 11.4.2021
AMBOSS-Blog Notfallmedizin: Blogartikel zum cABCDE-Schema

Seit 1987 rettet das ABCDE-Schema täglich Leben. Inzwischen wird dem Akronym jedoch meist ein “c” vorangestellt – denn kritische Blutungen können nicht warten. 

Ärzt:innen und Notfallsanitäter:innen sind bei ihren Einsätzen enormem Stress ausgesetzt. Das ABCDE-Schema leitet sie Schritt für Schritt durch Erstuntersuchung und Grundversorgung. Unter dem Motto “Treat first what kills first” sollen die dringlichsten Probleme am Unfallort oder im Schockraum systematisch identifiziert und behandelt werden. Dabei steht A für Airway, B für Breathing, C für Circulation, D für Disability und E für Environment. 

Das Schema hat jedoch einen Haken: Die Blutstillung findet erst im dritten Schritt “C” statt. Bis dahin können Betroffene eine kritische Menge Blut verlieren.

Analysen des britischen Militärs aus den Kriegen in Irak und Afghanistan haben ergeben: Mehr als die Hälfte aller gestorbenen Soldat:innen sind verblutet. Etwa 7% dieser Todesfälle hätten sich demzufolge durch eine rechtzeitige Blutstillung verhindern lassen. 2006 führte das britische Militär in seinem Battlefield Advanced Trauma Life Support deswegen das kleine “c” ein”. Der Buchstabe steht für Catastrophic Haemorrhage oder Critical Bleeding und soll helfen, die Versorgung stark blutender Wunden zu priorisieren. Die Bundeswehr schloss sich dieser Ergänzung an, während die US-Armee statt einem “c” ein “x” für Exsanguinating Hemorrhage verwendet. Dies soll einer Verwechslung des kleinen “c” mit dem großen “C” vorbeugen.

Zivile Kurssysteme identifizieren lebensbedrohliche Blutungen unterschiedlich. Das cABCDE-Schema wird bspw. von der Arnsberger Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin e.V. (AIM) gelehrt. Der European Trauma Course® (ETC) empfiehlt eine initiale “5-Sekunden-Visite”. Das Advanced Trauma Life Support® (ATLS) Manual von 2018 lehrt eine “10-Sekunden-Einschätzung” der Probleme A, B, C und D. Im militärischen Kontext stellen die Autor:innen dem Akronym ebenfalls ein “c” voran. 

Die WHO und hiesige Fachgesellschaften empfehlen in ihren Guidelines noch das ABCDE-Schema. Die AWMF-Leitlinie Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung von 2016 behandelt lebensbedrohliche Blutungen gesondert im Kapitel “Extremitäten”. Den Koordinator:innen zufolge ist es jedoch wahrscheinlich, dass das kleine “c” in die überarbeitete Version dieser Leitlinie Eingang finden wird. Sie soll im Juni 2022 erscheinen.

Ob “c” oder “x”, 5 Sekunden oder 10 – ein lebensbedrohlicher Blutverlust erfordert in jedem Fall sofortige Aufmerksamkeit. Im AMBOSS-Schwerpunkt “Notfallmanagement” findest du deshalb nicht nur den kleinen Buchstaben, sondern direkt ein eigenes Kapitel zum großen Thema “Critical Bleeding”. 

Wer AMBOSS noch nicht nutzt, kann hier über einen 5-tägigen, kostenlosen Probezugang auf die Kapitel zugreifen.