Höchste Zeit zu handeln: Die Klimakrise ist eine Gesundheitskrise
Auch in Europa sind die Folgen der globalen Erwärmung immer deutlicher zu spüren. Im ärztlichen Alltag müssen wir endlich klar kommunizieren: Der Klimawandel bedroht unsere Gesundheit!
Extreme Wetterereignisse werden durch den menschengemachten Klimawandel in allen Teilen der Welt häufiger und nehmen an Intensität zu. Diese Tatsache hat der jüngste Bericht des Weltklimarats erneut eindrücklich bestätigt. Der Starkregen im Juli hat zu der gravierendsten Hochwasserkatastrophe der Nachkriegsgeschichte geführt. Auch die Waldbrände in der Mittelmeerregion, Resultat extremer Hitze und Trockenheit, zählen zu den verheerendsten seit Jahren. Zahlreiche Menschen haben ihr Leben verloren oder leiden unter gesundheitlichen Problemen. Hierzu zählen Atemwegserkrankungen durch den von Waldbränden verursachten Feinstaub, aber auch Infektionen infolge von Wasserverunreinigungen nach den Überschwemmungen. Zudem lösen die Ereignisse enormes psychisches Leid aus, denn viele Menschen haben sowohl Angehörige und Bekannte als auch Hab und Gut verloren.
Der Klimawandel ist die größte Gesundheitskrise des 21. Jahrhunderts, vor allem, weil er Leben kostet – jeden Tag, mit steigender Tendenz. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass infolge der globalen Klimaveränderungen zwischen 2030 und 2050 jährlich bis zu 250.000 zusätzliche Todesfälle auftreten werden. Insbesondere hitzebedingte Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Krankheiten infolge von Fehlernährung sowie übertragbare Krankheiten wie Malaria und Durchfallerkrankungen sind hier die Hauptursachen.
Allerdings wird die Klimakrise im öffentlichen Diskurs bis heute weitgehend von der COVID-19-Pandemie verdrängt, obwohl beide eng zusammenhängen: Die globalen, durch Menschen verursachten Klima- und Umweltveränderungen führen nicht nur zu extremeren Wetterbedingungen, sondern begünstigen auch die Entstehung und Verbreitung von Infektionserkrankungen.
Während bei der COVID-19-Pandemie durch geeignete Präventionsmaßnahmen und mittlerweile breit verfügbare Impfstoffe die Hoffnung auf Besserung besteht, werden sich die Klimakrise und damit die mannigfaltigen Folgen für unsere Gesundheit mit der Zeit weiter zuspitzen. Die einzige primärpräventive Maßnahme ist hier eine drastische Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen, um schnellstmöglich Klimaneutralität zu erreichen. Nur so ließe sich die Geschwindigkeit, mit der sich die Erde erwärmt, noch drosseln – und überhaupt Handlungsspielraum für Adaptationsmaßnahmen erhalten.
Anstatt uns von Diskussionen über Verzicht und Verbote ablenken zu lassen, sollten wir uns darauf konzentrieren, welchen Zugewinn an Gesundheit und Lebensqualität jede und jeder Einzelne von uns durch effektiven Klima- und Umweltschutz erfährt: Sauberere Luft, weniger Verkehrslärm, mehr Grünflächen und Erholungsmöglichkeiten in den Städten, mehr körperliche Bewegung und gesünderes Essen – alles wichtige Voraussetzungen für eine höhere Lebenszufriedenheit und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl.
Es ist deshalb an der Zeit, Klimaschutz und Gesundheitsschutz endlich zusammenzudenken. Im ärztlichen Alltag können wir Zusammenhänge und Folgen der Klimakrise klar kommunizieren und so helfen, dass Klimaschutz für jede und jeden Einzelnen zu einer ganz persönlichen Angelegenheit wird. Dabei müssen wir drastischere Maßnahmen für echte 1.5°C-Politik einfordern. Nur wenn wir zusammenarbeiten und alle uns zur Verfügung stehenden Hebel betätigen, können wir diese riesige Herausforderung meistern.
Zum Weiterlesen
Über die Zusammenhänge zwischen menschlicher und planetarer Gesundheit klärt unsere Autorin Judith Mohren auch im AMBOSS-Kapitel Planetary Health und im aktuellen AMBOSS-Podcast auf.
Wie sie als Klimamanagerin an ihrer Klinik Ressourcen spart, hat uns die Anästhesistin und Intensivmedizinerin Dr. med. Anne Hübner im Interview erläutert.
Aktiv werden können Interessierte auch bei Health for Future.