CAR-T-Zell-Therapie: Gamechanger in der Krebsbehandlung?
Chimäre Antigenrezeptoren lassen Millionen Krebskranke auf Remission hoffen. Wie funktioniert das Verfahren und was birgt die Zukunft?
Immunsystem 2.0 – bei der CAR-T-Zell-Therapie werden T-Zellen durch gentechnische Verfahren mit spezifischen chimären Antigenrezeptoren (CAR) ausgestattet. Die so entstandenen CAR-T-Zellen können Krebszellen erkennen und zerstören.
Auf einen Blick
- Was ist ein CAR und wie funktioniert er?
- Wie kommt der CAR auf die T-Zellen? – Ablauf der CAR-T-Zell-Therapie
- Für wen ist eine CAR-T-Zell-Therapie geeignet?
- Vorteile der CAR-T-Zell-Therapie: Erfolge in der klinischen Anwendung
- Risiken der CAR-T-Zell-Therapie
- Ausblick in die Zukunft
Was ist ein CAR und wie funktioniert er?
T-Zellen suchen permanent die MHC-I-Rezeptoren körpereigener Zellen nach auffälligen Antigenen ab. Finden sie dabei eine entartete Zelle, leiten sie deren Apoptose ein und zerstören sie. Das gelingt allerdings nicht immer. Manche Krebszellen tragen kein Antigen auf ihrer Oberfläche, das sie als entartet kennzeichnet. Sie sind für das Immunsystem unsichtbar und bleiben dadurch unbehelligt – hier kommt der CAR ins Spiel.
Wie die Chimäre, ein Mischwesen der griechischen Mythologie, ist der künstliche Antigenrezeptor aus verschiedenen und eigentlich nicht zusammengehörigen Komponenten aufgebaut: Extrazellulär dient eine Bindedomäne als „Spürnase“. Sie greift ein möglichst spezifisches Oberflächenantigen der Tumorzellen und macht sie so für unser Immunsystem wieder fassbar. Auf welches Antigen die Domäne abzielen soll, entscheiden die Behandelnden. Eine Transmembrandomäne verankert die Bindedomäne auf der T-Zell-Oberfläche. Sobald der Rezeptor eine Tumorzelle gebunden hat, aktiviert eine intrazelluläre Signalsequenz die T-Zellen.
Ein Beispiel: Ein B-Zell-Lymphom hat durch Immun-Escape-Mutationen seine MHC-I-Expression herunterreguliert. Native T-Zellen erkennen es dadurch nicht mehr als entartet. Als Abkömmling der B-Zell-Reihe trägt es aber immer noch das für B-Lymphozyten typische Antigen CD19 auf seiner Oberfläche. Richtet man die Bindedomäne des CAR nun auf dieses Antigen aus, wird das Lymphom im Rahmen der CAR-T-Zell-Therapie wieder angegriffen.
Wie kommt der CAR auf die T-Zellen? – Ablauf der CAR-T-Zell-Therapie
Zunächst gewinnt das Behandlungsteam per Leukapherese patienteneigene T-Zellen und sensibilisiert sie ex vivo für die anvisierten Krebszellen. Dafür wird die genetische Blaupause des CAR über einen viralen Vektor in das Genom der Abwehrzellen eingebaut. Die so modifizierten T-Zellen können nun den gewünschten Rezeptor bilden und sich in einer Zellkultur vermehren. Bei jeder Zellteilung geben sie den Bauplan für den chimären Antigenrezeptor an die Folgegenerationen weiter.
Bevor die veränderten T-Zellen zurück in den erkrankten Menschen gebracht werden können, erhält dieser eine sogenannte Konditionierung: Chemotherapeutika – beispielsweise Cyclophosphamid oder Fludarabin – depletieren die körpereigenen Immunzellen, wodurch der Körper vermehrt Zytokine produziert. So herrschen ideale Voraussetzungen, damit sich die CAR-T-Zellen nach Infusion im Körper vermehren können. Dank ihres künstlichen Rezeptors finden die modifizierten T-Zellen in vivo Krebszellen und zerstören sie.
Für wen ist eine CAR-T-Zell-Therapie geeignet?
Aktuell kommt die CAR-T-Zell-Therapie bei hämato-onkologischen Erkrankungen zum Einsatz. Bindet die extrazelluläre Domäne beispielsweise das für B-Lymphozyten typische CD19, können entsprechende CAR-T-Zellen Non-Hodgkin-Lymphome wie das diffus-großzellige B-Zell-Lymphom, das follikuläre Lymphom oder die akute lymphatische Leukämie der B-Zell-Reihe bekämpfen. Richtet man den CAR gegen das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) aus, attackieren die CAR-T-Zellen das multiple Myelom.
Vorteile der CAR-T-Zell-Therapie: Erfolge in der klinischen Anwendung
Als sogenannte „living drug“ unterliegen CAR-T-Zellen keiner Dosis-Wirkungs-Beziehung – sie passen sich selbstständig der Menge der zu bekämpfenden Krebszellen an. Außerdem können sie nach erfolgreicher Therapie im Körper verbleiben und sich bei einem Rezidiv reaktivieren.
Bisherige Erfolge der CAR-T-Zell-Therapie lassen viele Betroffene hoffen: Auf CD19 ausgerichtete CAR-T-Zellen führten bei rezidivierten oder therapierefraktären Non-Hodgkin-Lymphomen in bisherigen, meist einarmigen Studien zu kompletten Remissionsraten von etwa 40–60%.
Patient:innen, die wegen eines rezidivierten oder therapierefraktären multiplen Myeloms CAR-T-Zellen erhielten, lebten nach der Behandlung im Median fast zwei weitere Jahre. Dabei besserten sich vor allem Tumorfatigue, Schmerzen und körperliche Funktionen. Ohne CAR-T-Zell-Therapie liegt das mediane Überleben bei therapierefraktären Verläufen zwischen 12 und 15 Monaten.
Risiken der CAR-T-Zell-Therapie
Die hohe Wirksamkeit der CAR-T-Zell-Therapie kann schwere Nebenwirkungen verursachen: Starke T-Zell-Stimulationen lösen häufig einen sogenannten Zytokinsturm aus. Er geht unter anderem mit Fieber, hämodynamischer Instabilität und Organversagen einher. Die übermäßige Zytokinfreisetzung verursacht außerdem bei etwa einem Drittel der Behandelten ein sogenanntes Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS), das in der Regel passager verläuft, aber auch tödlich enden kann.
Da auf CD19 ausgerichtete CAR-T-Zellen nicht nur entartete, sondern auch gesunde B-Lymphozyten attackieren und zerstören, kann eine Hypogammaglobulinämie auftreten. Aufgrund des hohen Zellzerfalls droht zudem ein Tumorlysesyndrom.
Der prädiktive Score CAR-HEMATOTOX kann helfen, individuelle Risiken für hämatologische Schäden und konsekutive Infektionen einzuschätzen.
Hinweise zu Symptomen, Therapie und Verlauf möglicher Komplikationen finden sich in der Sektion CAR-T-Zell-Therapie des AMBOSS-Kapitels Non-Hodgkin-Lymphome. |
Ausblick in die Zukunft
Die Erfolge in der Behandlung hämato-onkologischer Erkrankungen haben die Forschung an der CAR-T-Zell-Therapie befeuert. Weltweit versuchen Forschungsgruppen, sie auch gegen solide Tumoren einzusetzen. Das würde einer Revolution in der Krebstherapie gleichkommen und zahlreichen Betroffenen neue Therapieoptionen bieten. Einige Hindernisse gilt es aber noch zu überwinden.
Zum einen exprimieren solide Tumoren sehr unterschiedliche tumorassoziierte Antigene. Das erschwert es, spezifische Ziele für die chimären Antigenrezeptoren zu finden. Zum anderen schützen sich solide Tumoren unter anderem durch eine reduzierte Chemokin-Expression oder ein immunsuppressives Mikromilieu vor der Infiltration und Zerstörung durch T-Zellen.
Lösungen könnten zum Beispiel mehrere CAR auf einer T-Zelle oder sich selbst anpassende CAR-Expressionen sein. Zahlreiche Studien zeigen in Tierversuchen bereits vielversprechende Ergebnisse, beispielsweise beim Ovarialkarzinom, beim Pankreaskarzinom oder beim Lungenkrebs. Bis die CAR-T-Zellen auch im Menschen solide Tumoren attackieren, wird zwar noch einige Zeit vergehen – die Revolution ist aber bereits in vollem Gange.
Quellen
- Buchholz et al.: CAR-T-Zell-Therapie: Aussichten und Risiken. In: Deutsches Ärzteblatt. 2018; 115(7): [38]; DOI: 10.3238/PersOnko.2018.02.16.07
- Sterner RC, Sterner RM. CAR-T cell therapy: current limitations and potential strategies. Blood Cancer J. 2021;11(4):69. Published 2021 Apr 6. doi:10.1038/s41408-021-00459-7
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie, Meldung vom 13.05.2022, https://www.dgho.de/aktuelles/news/news/2022/idecabtagen-vicleucel-beim-multiplen-myelom
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie, Stellungnahme zur Nutzenbewertung des G-BA von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen gemäß § 35a SGB, Idecabtagen vicleucel, veröffentlicht am 1. April 2022, https://www.dgho.de/publikationen/stellungnahmen/fruehe-nutzenbewertung/idecabtagen_vicleucel/idecabtagen-vicleucel-dgho-dsmm-gmmg-20220422.pdf/view
- Marofi, F., Motavalli, R., Safonov, V.A. et al. CAR T cells in solid tumors: challenges and opportunities. Stem Cell Res Ther 12, 81 (2021). doi.org/10.1186/s13287-020-02128-1