Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Die Herausforderung einer Empfehlung
Das DGVS Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu Zeiten von COVID-19.
Ein junger Student ist zum Termin bei seiner Hausärztin angemeldet. Als er aufgerufen wird, ist er noch vor der Tür und raucht. Er entschuldigt sich damit, dass er aktuell einfach nicht klar denken könne, die Pandemie bereite ihm mehr Bauchschmerzen als er gewohnt sei. Er lacht kurz auf – er ist Morbus-Crohn-Patient. Momentan befindet er sich in einem akuten Schub, der wegen eines steroid-refraktären Verlaufs therapieeskalativ mit dem Biologikum Vedolizumab behandelt wird. Sein gestresster Eindruck passt zu den Sorgen, die er schildert: Als Mensch mit einer chronischen Erkrankung während einer Pandemie ist er verunsichert und hat viele Fragen.
Insg. sind in Deutschland ca. 450.000 Menschen von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) betroffen, am häufigsten sind dabei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Um Kolleg:innen die medizinische Betreuung während der Pandemie zu erleichtern und ihnen Handlungskorridore an die Hand zu geben, hat eine interdisziplinäre Expert:innengruppe das DGVS Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa formuliert. Aufgrund der unzureichenden Datenlage zum Management von CED-Patient:innen in Zeiten der Pandemie, betonen die Autor:innen die schwache Evidenz für alle Empfehlungen. Die Handlungsanweisungen beruhen meist auf persönlichen Erfahrungen, Daten aus publizierten Fallserien und Registern sowie Analogieschlüssen zu anderen Krankheitsbildern. Das Addendum ist eine wichtige Stütze, da die Fragen der behandelnden Ärzt:innen und die Verunsicherung der Patient:innen “zu ungünstigen Entscheidungen wie z.B. dem Absetzen von Medikation führen könnten”.
Der junge Student aus der Fallvignette ist mit seiner Sorge in Bezug auf seine Erkrankung und die immunsuppressive Therapie nicht allein. Bislang deuten epidemiologische Daten darauf hin, dass CED-Patient:innen kein grundsätzlich erhöhtes Risiko für eine Infektion haben. Anders sieht es aus, wenn eine immunsuppressive Therapie hinzukommt: In diesem Fall sei das Risiko für eine Infektion zwar erhöht, der Grad der Risikoerhöhung scheint dabei aber für die einzelnen Medikamente unterschiedlich zu sein. Welche therapeutischen Entscheidungen während und wegen der Pandemie letztendlich getroffen werden, ist nicht nur von der jeweiligen Medikation abhängig, sondern auch von der Krankheitsaktivität, einer möglichen Malnutrition als Risikofaktor und natürlich dem individuellen Patient:innenwillen. Zur Infektionsprävention wird v.a. zu individuellen Schutzmaßnahmen geraten. Wichtig sind hierbei Social Distancing, die häufige hygienische Händedesinfektion und das Abstandhalten.
In Bezug auf Sorgen und aufkommende Fragen der Patient:innen rückt laut Autor:innenschaft der DGVS eine klare Kommunikation und das Prinzip des Shared-Decision-Making in den Fokus des ärztlichen Handelns. Dass Rauchen ein beeinflussbarer Risikofaktor für die Krankheitsaktivität bei Morbus Crohn ist, sollte man dem jungen Studenten auch unabhängig von der COVID-19-Pandemie erläutern.
Weitere Infos zum Thema, zu medikamentösen und operativen Therapieansätzen sowie Komplikationen und Prognosen sind in den AMBOSS-Kapiteln Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zusammengestellt. In der Leitlinienergänzung gibt es u.a. noch mehr über Risikofaktoren, Schutzmaßnahmen und das SARS-CoV-2-Virus zu erfahren. Zu beiden Erkrankungen sind auch die vollständigen Leitlinien der DGVS über die AMBOSS-Kapitel erreichbar.
Weitere Informationen zu relevanten AMBOSS-Inhalten: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa , DGVS Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Betreuung in der COVID-19 Pandemie