Interventionelle Blutungskontrolle: „Mono oder Bipo?“
Wo geschnitten wird, fließt Blut. Wie die verschiedenen Techniken der Blutstillung jedoch funktionieren, kann kaum jemand erklären. Unsere Redakteurin möchte das mit ihrem Kapitel ändern.
Die Fachärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie Dr. med. Lena Rivera Cerezo hat das AMBOSS-Kapitel „Techniken der interventionellen Blutungskontrolle“ geschrieben. Hier erklärt sie, warum sie sich dabei an ihren Oberarzt erinnert hat – und warum es so wichtig ist, die physikalischen Prinzipien der verschiedenen Methoden zu verstehen.
Auf einen Blick
- Wie hilft das Kapitel im ärztlichen Alltag?
- Welchen Abschnitt sollten auch nicht-chirurgisch Tätige lesen?
- Was bietet dieses Kapitel, das es woanders so nicht gibt?
- Was ist inhaltlich neu?
- “Während meiner eigenen Weiterbildung hätte ich dieses Kapitel unbedingt gebraucht…”
Wie hilft das Kapitel im ärztlichen Alltag?
Schon bei ihren ersten Einsätzen in der Chirurgie sind viele an den Handgriffen beteiligt, die zur Blutungskontrolle beitragen. Entsteht oder droht bei der Präparation eine Blutung, lautet das Kommando an die Assistenz allerdings häufig einfach nur „Strom“. Aber mit welcher Taste? Und an welcher Stelle? Und wie lautet die Antwort, wenn die operationstechnische Assistenz beim Richten fragt: „Nehmen wir Mono oder Bipo?” Einerseits hilft unser Kapitel noch unerfahrenen Assistenzärzt:innen, sich auf diese Situationen vorzubereiten.
Andererseits sollten auch erfahrene Personen wissen und erklären können, was beispielsweise im Falle einer schwer beherrschbaren Blutung zu tun ist. Denn am Generator für den elektrochirurgischen Strom wahllos sämtliche Knöpfe hochzudrehen oder unzählige Pakete mit Hämostatika zu öffnen, kann viel Gewebe verbrennen – und Geld. Etwas physikalisches Hintergrundwissen sowie die Kenntnis der Wirkmechanismen gängiger Hämostatika sind da sehr hilfreich.
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Welchen Abschnitt sollten auch nicht-chirurgisch Tätige lesen?
Auch im Rettungsdienst und im ambulanten Setting gilt es gelegentlich, kaum stillbare oberflächliche Wunden zu versorgen, zum Beispiel kleine Arrosionsblutungen bei Ulcus venosum oder eine blutende Varize. Da stellt sich die Frage: „Muss ich die Person jetzt in die chirurgische Ambulanz schicken oder lege ich da vielleicht erst mal ein Hämostatikum drauf?” Hier kann ein Blick in unser Kapitel bei der Wahl des Hämostatikums sehr hilfreich sein. Die Prinzipien der thermischen Blutungskontrolle sollten aber auch jenseits der operativen Fächer bekannt sein. In der gastroenterologischen Praxis, die ja erste Anlaufstelle für gastrointestinale Blutungen ist, kommen beispielsweise auch elektrochirurgische Verfahren zum Einsatz. Wer deren Grundlagen versteht, kann diese Techniken effizienter und sicherer anwenden – zumal der doch sehr dünnwandige Gastrointestinaltrakt durch eine zu hohe Energiezufuhr auch Schaden nehmen kann.
Was bietet dieses Kapitel, das es woanders so nicht gibt?
Antworten auf die Fragen, die man selbst nicht zu stellen wagt – oder vor denen man sich fürchtet! Wir machen im klinischen Alltag ja vieles einfach so, wie es die Leute vor uns schon gemacht haben. In der Regel funktioniert das. Um aber auch in Ausnahmesituationen adäquat reagieren zu können, sollte man die grundlegenden Prinzipien der jeweiligen Technik doch verstanden haben. Da dieses Wissen in den gängigen Standardwerken in dieser Kompaktheit nicht zu finden ist, haben wir es für die verschiedenen mechanischen, thermischen und hämostatischen Methoden zusammengetragen. Und ich freue mich, dass wir dem ärztlichen Personal jetzt auf diesem Wege ein nützliches Tool an die Hand geben können.
Was ist inhaltlich neu?
Das Kapitel enthält eine schöne neue Illustration einer Gefäßligatur. Wer neu in der Chirurgie anfängt, versteht so auf einen Blick die einzelnen Schritte. Wir haben außerdem zwei übersichtliche und, wie ich finde, sehr praktische Tabellen erstellt, die Wirkmechanismen und Anwendungsgebiete verschiedener Hämostatika zeigen. Hier findet sich schnell ein geeignetes Präparat.
„Während meiner eigenen Weiterbildung hätte ich dieses Kapitel unbedingt gebraucht…“
In meiner Klinikzeit musste ich innerlich sehr lachen, als ein PJler meinen Oberarzt fragte, was denn der Unterschied zwischen der blauen und der gelben Taste am Elektrokauter sei. Seine patzige Antwort: „Blau ist zum Koagulieren und gelb ist zum Schneiden!“ Der Ton machte unmissverständlich klar, dass er keine weiteren Nachfragen wünschte – warum, das bleibt sein Geheimnis! Für diesen PJler, diesen Oberarzt und alle anderen chirurgisch oder interventionell tätigen Menschen habe ich dieses Kapitel geschrieben.