Nachtdienst: Schlaftipps gegen Müdigkeit

Maria Strandt - Sonntag, 5.2.2023
Ein junger Mann schläft im Bett. Nachtdienst und Schlaf im AMBOSS-Blog.

Wer nachts arbeitet, muss tagsüber schlafen. Wie es gelingt, morgens einzuschlafen und nachts wach zu bleiben.

Wer sich schon einmal nach einem anstrengenden Nacht- oder 24-h-Dienst wie gerädert gefühlt hat, weiß: Guter Schlaf ist wichtig. Gerade im Schichtdienst kommt der Schlafrhythmus jedoch schnell durcheinander, was nicht nur zu unmittelbarem Leidensdruck, sondern auch zu langfristigen gesundheitlichen Problemen führen kann. Wie sich die Schlafsituation verbessern lässt und was gegen Müdigkeit während des Nachtdienstes hilft, zeigt unser Ratgeber.

Auf einen Blick

  1. Nachtdienste: Schlafmangel und seine Nachteile 
  2. Nachtdienste individuell planen
  3. Der Morgen danach: Wie das Schlafen klappt
  4. Wann Nachtarbeitende schlafen sollten
  5. Wie sich der Bereitschaftsdienst besser überstehen lässt
  6. Tipps gegen Müdigkeit im Nachtdienst
  7. Bei ernsten Schlafstörungen: Nachtdienst kontraindiziert

Nachtdienste: Schlafmangel und seine Nachteile

Wie gut Menschen sich an wechselnde Schichten anpassen können, ist individuell verschieden. Die genetisch festgelegte innere Uhr, der Chronotyp, spielt dabei eine große Rolle. Frühaufsteher:innen, die sogenannten Lerchen, kommen meist mit dem Frühdienst gut zurecht, leiden dafür aber unter Spät- und Nachtdiensten. Bei den Eulen, die abends spät wach sind und dafür morgens lange schlafen, ist es genau umgekehrt.1 

Ständig gegen die eigene innere Uhr zu leben, kann gesundheitliche Folgen haben: So ist Schichtarbeit unter anderem mit einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus und bestimmten Krebsarten sowie einer beeinträchtigten mentalen Gesundheit assoziiert.2 Wer übermüdet nach dem Dienst nach Hause fährt, verursacht zudem leichter einen Verkehrsunfall. Im ärztlichen Beruf außerdem besonders relevant: Wachsamkeit und Leistungsfähigkeit leiden unter einem verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus und dem häufig damit einhergehenden Schlafmangel.3

Schlafberaterin Nina von Lipinsky zufolge empfinden die meisten Menschen Nachtdienste als herausfordernd. Die frühere Sozialpädagogin im Kinderschutz weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig erholsamer Schlaf in anspruchsvollen Berufen ist. Viele Faktoren lassen sich ihrer Ansicht nach jedoch beeinflussen: „Wir können einiges tun, um unseren Schlaf zu verbessern.“

 

Schichtarbeit kann zu Schlafstörungen führen. Wie diese sich diagnostizieren und behandeln lassen, zeigt das AMBOSS-Kapitel Insomnien. 

ZUM AMBOSS-KAPITEL

Nachtdienste individuell planen

Die Rahmenbedingungen spielen dabei eine wichtige Rolle: Wer den eigenen Dienstplan mitgestalten kann, sollte nicht nur familiäre Verpflichtungen oder die Freizeitgestaltung, sondern auch das eigene Schlafbedürfnis berücksichtigen.

Die S2k-Leitlinie zu gesundheitlichen Aspekten von Nacht- und Schichtarbeit der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) fasst die Evidenzlage zusammen: Die wenigen vorhandenen Studien hätten meist lediglich simulierte Schichtarbeit untersucht. Dabei habe sich eine schnelle Vorwärtsrotation als vorteilhaft erwiesen. Gemeint ist ein schneller Wechsel vom Früh- über den Spät- zum Nachtdienst. Kontinuierliche Nachtdienste könnten der Leitlinie zufolge jedoch gleichwertig sein. Relevant sei vor allem die möglichst individuelle Gestaltung von Schichtplänen. Diese sollte unter anderem den Chronotypen, das Alter und die allgemeine Anpassungsfähigkeit an Schichtarbeit berücksichtigen.4 Der Chronotyp eines Menschen lässt sich übrigens laborchemisch feststellen – vielleicht könnten derartige Tests eines Tages zur Einstellungsuntersuchung in Krankenhäusern gehören. Bis es soweit ist, können Dienstplanverantwortliche ihr Team immerhin nach ihren Präferenzen fragen. 

Der Morgen danach: Wie das Schlafen klappt

Auf dem Heimweg strahlt die Sonne vom Himmel und zu Hause ist die Familie gerade aufgestanden – nach dem Nachtdienst einzuschlafen, ist nicht immer einfach. Schlafexpertin von Lipinsky empfiehlt, noch vor der Ankunft zu Hause für den Schlaf vorzusorgen: „Licht ist unser wichtigster Zeitgeber. Auf der Heimfahrt kann daher eine Brille mit Blaulichtfilter sinnvoll sein und auch zu Hause sollte möglichst nur gedämpftes Licht eingeschaltet werden.“ Auch die Ernährung spiele für den Schlaf eine Rolle, so ein Ratgeber der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (DGSM)1: So sollten Schichtarbeitende auf schwer verdauliches und fettiges Essen verzichten. Darüber hinaus sollten sie vor dem Schlafengehen keine üppigen Mahlzeiten mehr zu sich nehmen. Von Lipinsky ergänzt: „Kleine Snacks wie Bananen oder Mandeln gehen aber immer, denn hungrig sollte man sich nicht schlafen legen.“ Der DGSM zufolge sollte darüber hinaus die Schlafumgebung möglichst kühl und dunkel sein. Augenmasken und dunkle Vorhänge könnten tagsüber gegen Licht abschirmen.

Wann Nachtarbeitende schlafen sollten

Die DGSM empfiehlt1, wann immer möglich feste Schlafzeiten einzuhalten: Wer ausschließlich in der Nacht arbeite, solle auch an freien Tagen zur gleichen Zeit schlafen wie nach dem Dienst. Wechselschichtarbeiter:innen hingegen sollten ihre Schlaf- und Wachzeiten in den letzten Tagen der jeweiligen Schicht jeweils um ein bis zwei Stunden verschieben. Auch an freien Tagen sei es ratsam, die Schlafenszeiten an die bevorstehende Schicht anzupassen.1 Das bedeutet jedoch ständig wechselnde Zeiten, beispielsweise für Abendessen und Einschlafroutinen. „Manche Menschen stellen sich daher nicht nur morgens, sondern auch abends einen Wecker – und erinnern sich so daran, dass ihre Schlafenszeit ansteht“, sagt Schlafberaterin von Lipinsky.

Wie sich der Bereitschaftsdienst besser überstehen lässt

Womöglich musste in der Nacht noch ein Notfall versorgt werden und jederzeit könnte das Telefon erneut klingeln – nicht alle finden im Bereitschaftsdienst leicht in den Schlaf. „Die Krankenhausumgebung ist sicherlich keine Schlafoase“, so von Lipinsky. Einige Tipps könnten ärztlich Tätige dennoch ausprobieren: das eigene Kopfkissen mitbringen, Lavendel- oder Zirbenöl, entspannende Musik oder beruhigende Atemtechniken. „Hilfreich ist auch, den Druck rauszunehmen. Wenn man sich ins Bett legt und sagt: Ich muss jetzt schlafen, dann klappt es meistens nicht.“

Wer im Dienst nur wenig oder gar nicht schlafen konnte, sollte laut der Schlafberaterin dennoch versuchen, am Tag danach den Schlafrhythmus wieder zu normalisieren. „Direkt nach der Schicht würde ich nur kurz schlafen, vielleicht zwei Stunden. Um durch den Rest des Tages zu kommen, können 15- bis 20-minütige Nickerchen helfen.“ Dadurch ließe es sich am Abend nach dem Dienst besser einschlafen.

Tipps gegen Müdigkeit im Nachtdienst

Um vier Uhr morgens fällt es vielen Menschen bereits schwer, die Augen offenzuhalten – geschweige denn, relevante medizinische Entscheidungen zu treffen. Wo immer möglich, gilt daher: Licht an. Der DGSM zufolge verbessert helles, blaues Licht die nächtliche Wachheit.1 Wenn das Arztzimmer nicht gut ausgeleuchtet ist, kann eine eigene Tageslichtlampe mit hohem Blaulichtanteil helfen. 

Doch bereits vor dem Nachtdienst lässt sich etwas gegen die Müdigkeit tun: Um den Schlafdruck in der Nacht zu mindern, empfiehlt die DGSM, direkt vor Dienstbeginn ein bis zwei Stunden zu schlafen.1 Auch während der Schicht könnten Nickerchen hilfreich sein – allerdings ist kurz nach dem Aufwachen die Leistungsfähigkeit oft eingeschränkt. „Manchmal kann dann auch ein sogenannter Coffee Nap helfen – also Kaffee trinken und anschließend 20 bis 30 Minuten schlafen, bis das Koffein wirkt“, erklärt von Lipinsky. Allerdings beträgt die Halbwertszeit von Koffein ungefähr vier Stunden, gibt sie zu bedenken. In den letzten Stunden des Nachtdienstes sei es daher ratsam, auf Kaffee zu verzichten.

Bei ernsten Schlafstörungen: Nachtdienst kontraindiziert

Nächtliche Arbeit geht bei vielen Menschen mit Schlafschwierigkeiten einher. Wer allerdings unter ernsthaften Schlafstörungen leidet, sollte laut Leitlinie der DGAUM in eine geeignete Tagschicht wechseln. Das gilt etwa für Menschen mit obstruktiver Schlafapnoe sowie komorbiden Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mit schwerem Restless-Legs-Syndrom oder schweren Parasomnien. Bei klinischem Verdacht auf ein obstruktives Schlafapnoesyndrom sollte die apparative Diagnostik unter Umständen während des Tagschlafs nach dem Nachtdienst erfolgen, da hier der Apnoe-Hypopnoe-Index im Vergleich zum Nachtschlaf erhöht sein kann. Darüber hinaus können das Alter und damit einhergehende Schlafstörungen es erforderlich machen, Nachtdienste im Laufe des Berufslebens aufzugeben.4  Für alle, die noch in der Nacht arbeiten, gilt: Wer trotz der knapp bemessenen Freizeit Schlaf priorisiert, trägt langfristig wesentlich zur eigenen Gesundheit bei. 

 


Schlaf im AMBOSS-Podcast

Warum Schlaf so wichtig ist, wie Chronotypen und die zirkadiane Rhythmik funktionieren und wie sich Insomnien therapieren lassen, berichtet der Schlafmediziner Prof. Christoph Schöbel im AMBOSS-Podcast.

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Quellen

  1. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) – AG Chronobiologie. Schlafprobleme bei Schichtarbeit. 2021. https://www.dgsm.de/gesellschaft/fuer-patienten/ratgeber-schlafstoerungen. Zugriff am 30.1.2023. 
  2. Caldwell JA, Caldwell JL, Thompson LA, Lieberman HR. Fatigue and its management in the workplace. Neurosci Biobehav Rev. 2019;96:272-289. doi:10.1016/j.neubiorev.2018.10.024
  3. Ganesan S, Magee M, Stone JE, et al. The Impact of Shift Work on Sleep, Alertness and Performance in Healthcare Workers. Sci Rep. 2019;9(1):4635. Published 2019 Mar 15. doi:10.1038/s41598-019-40914-x
  4. Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), S2k-Leitlinie Gesundheitliche Aspekte und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit, AWMF Registernummer 002 – 030, Langfassung, 30.10.2020, verfügbar unter https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/002-030, Zugriff am 30.01.2023