Regionalanästhesie: Wie helfen die neuen Kapitel im ärztlichen Alltag?

Britta Verlinden - Sonntag, 27.11.2022
Regionalanästhesie: Ein Materialset für die Periduralanästhesie liegt auf grünem Tuch bereit. Regionalanästhesie-Kapitel im AMBOSS-Blog.

„Nochmal eben in der Umkleide draufschauen und sofort erfassen, was zu tun ist“: Was die neuen AMBOSS-Inhalten rund um Plexusblockade, Spinalanästhesie & PDA zu bieten haben. 

Dr. med. Julia Stein ist Fachärztin für Anästhesiologie und Redakteurin in der AMBOSS-Fachgruppe AINS (Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie). Sie steht uns Rede und Antwort zu den neuen AMBOSS-Inhalten rund um die Regionalanästhesie.

Auf einen Blick

  1. Wie helfen die neuen Kapitel zur Regionalanästhesie im ärztlichen Alltag?
  2. Welchen Abschnitt sollten auch fachfremde Kolleg:innen unbedingt lesen?
  3. Was bieten die Kapitel ärztlichen Kolleg:innen, das sie sonst nirgendwo finden? 
  4. Was ist inhaltlich neu?
  5. Gibt es etwas, das dich bei der Arbeit an diesen Kapiteln selbst überrascht hat?
  6. Wie würdest du den folgenden Satz beenden? „Während meiner eigenen Weiterbildung hätte ich dieses Kapitel unbedingt gebraucht …“ 

Wie helfen die neuen Kapitel zur Regionalanästhesie im ärztlichen Alltag?

Die Regionalanästhesie macht einen großen Teil unseres Fachs aus. Anders als die Vollnarkose kommt sie aber von Klinik zu Klinik sehr unterschiedlich zum Einsatz. Die meiste Literatur dazu ist sehr ausschweifend und oft nicht geeignet, um schnelle Antworten zu finden. Natürlich brauchen Ärzt:innen den theoretischen Hintergrund, etwa für die Aufklärung von Patient:innen oder auch für die Facharztprüfung. Aber sie müssen auch einfach wissen, wie sie eine Regionalanästhesie selbst praktisch durchführen. Entsprechend haben wir ein Hauptkapitel geschaffen: Wann ist eine Regionalanästhesie indiziert, wann kontraindiziert? Welche Komplikationen können auftreten? Wo breitet sich die Anästhesie bei den verschiedenen Verfahren aus? Und in mehreren Unterkapiteln findet sich dann das konkrete Praxiswissen: Wie mache ich eine Plexusblockade? Wie dosiere ich die Medikamente? Und welche anatomischen Strukturen sehe ich da eigentlich im Ultraschall? 

Welchen Abschnitt sollten auch fachfremde Kolleg:innen unbedingt lesen?

Nehmen wir eine Kollegin in der chirurgischen Ambulanz, die vor der Frage steht, ob sie einem Patienten eine Regionalanästhesie anbieten kann, weil er vielleicht ein hohes Narkoserisiko hat: Ihr würde ich empfehlen, den Abschnitt Formen der Regionalanästhesie zu lesen. Dort findet sich eine Übersicht über die verschiedenen Optionen für die obere Extremität, die untere Extremität sowie die rückenmarksnahen Verfahren – und zwar jeweils mit Abbildungen, auf denen sich genau erkennen lässt: Liegt die geplante OP überhaupt in einem Bereich, der sich mit einer Regionalanästhesie betäuben lässt? Ein anderes Anwendungsbeispiel wäre die Wöchnerinnenstation: Vielleicht hat eine Patientin Beschwerden und der Gynäkologe fragt sich, ob das Komplikationen der Regionalanästhesie sein könnten – etwa postpunktioneller Kopfschmerz oder eine Lokalanästhetika-Intoxikation. Das kann er mit unserem Kapitel herausfinden. 

Was bieten die Kapitel ärztlichen Kolleg:innen, das sie sonst nirgendwo finden? 

Einen sehr guten Überblick! Man findet wirklich auf den ersten Blick, was man sucht. Und wer ins Detail gehen möchte, kann natürlich, wie immer bei AMBOSS, einfach weiterklicken. Etwa zu Inhalten in anderen Kapiteln: Maximaldosierung von Lokalanästhetika, Sicherheitsabstände zur Gabe von Antikoagulanzien… Das sind superrelevante Aspekte, die ein einzelnes Kapitel sprengen würden, aber durch unsere Verlinkungen trotzdem schnell erreichbar sind. 

Was ist inhaltlich neu?

Seit es bessere und kleinere Ultraschallgeräte gibt, die sich am Patientenbett leichter handhaben lassen, ersetzt die Sonografie mehr und mehr die Nervenstimulation in der Regionalanästhesie. Das bilden wir jetzt ab. Mein persönliches Highlight sind dabei unsere neuen Animationen: Die sind schön und konkret, aber nicht so lang wie ein Erklärvideo. Und natürlich die tollen AMBOSS-Illustrationen – nochmal eben in der Umkleide draufschauen und man erfasst sofort, was zu tun ist.

Gibt es etwas, das dich bei der Arbeit an diesen Kapiteln selbst überrascht hat?

Wie uneinheitlich die Anatomie in der Literatur dargestellt wird! Wir hätten nicht gedacht, wie schwierig es sein würde, eine einfache Abbildung zu erstellen: „Welches Verfahren wirkt wo?“ Das war uns aber besonders wichtig, denn das ist es ja, was man wissen möchte: Macht es Sinn, bei der geplanten OP dieses oder jenes Verfahren anzuwenden? Es gibt natürlich Abbildungen zu Versorgungsgebieten von Nerven, die berühmten Dermatome, die man ja kennt. Und auf der anderen Seite gibt es Auflistungen, welcher Nerv von welchem Verfahren betäubt wird. Das zusammenzubringen war gar nicht so einfach, weil es zum Teil auch widersprüchliche Angaben gab. Und es sollte natürlich fachlich richtig sein und zugleich übersichtlich – ohne viel „Wenn und Aber“. Das war ein bisschen tricky, aber ich denke, es ist uns gelungen.

Plexusanaesthesie

 

Je nach Lokalisation des OP-Gebietes bzw. der schmerzhaften Körperregion wird das geeignete Regionalanästhesieverfahren ausgewählt. Dabei ist v.a. der Punktionsort entscheidend für die mögliche Ausbreitung. Diese und weitere Grafiken finden sich im AMBOSS-Kapitel Regionalanästhesie.

ZUM AMBOSS-KAPITEL

Wie würdest du den folgenden Satz beenden? „Während meiner eigenen Weiterbildung hätte ich dieses Kapitel unbedingt gebraucht …“ 

… als ich die Klinik gewechselt habe. Die ersten drei Jahre meiner Weiterbildung war ich in einem Krankenhaus, in dem nur wenig Regionalanästhesie gemacht wurde. In dem neuen Haus waren Regionalanästhesieverfahren gang und gäbe. Und ich wurde an einem meiner ersten Tage dort relativ verständnislos gefragt, warum ich denn nicht in diesen Saal gehen könne, wo doch nur eine interskalenäre Plexusblockade gemacht werden müsse – das könne doch nicht so schwer sein? In dieser Situation hätte ich mir gerne eine Abbildung angeschaut, um mich nicht völlig zu blamieren. Ich habe dann noch hektisch in ein paar Büchern nachgeschlagen, die da herumstanden, aber eben nicht gefunden, was ich gesucht habe: Wo genau muss diese blöde Nadel hin? An dem Haus habe ich es dann natürlich gelernt. Aber es ist schon blöd, so ins kalte Wasser geworfen zu werden. Hätte es das AMBOSS-Kapitel damals schon gegeben, hätte ich das Ganze zumindest unter Anleitung sicher über die Bühne bringen können und nicht abgeben müssen.