Der (Mehr-)Wert des ärztlichen Gesprächs
Inwiefern beeinflussbare Faktoren eine Rolle bei der Zufriedenheit von Dialysepatient:innen spielen.
“Non, je ne regrette rien” ist der Titel des Studientelegramms, das die Zufriedenheit von Patient:innen mit chronischen Nierenerkrankungen thematisiert und die physischen sowie psychischen Belastungen von Nierenersatzverfahren beleuchtet. In der vorgestellten Studie “Dialysis Regret - Prevalence and Correlates” befragten Saeed et al. Dialysepatient:innen, die dauerhaft auf ein Nierenersatzverfahren angewiesen sind, u.a. sowohl Hämodialyse als auch Peritonealdialyse. Es galt die Faktoren zu identifizieren, die dazu führen, dass behandelte Personen es bedauern, sich für eine Dialyse entschieden zu haben.
Befragt wurden 450 erwachsene Patient:innen, die in Cleveland, Ohio, eine Dialysetherapie erhielten. 397 Patient:innen füllten den 41-Punkte-Fragebogen aus, dessen Eingangsfrage lautete: Bedauern Sie die Entscheidung, die Dialysetherapie begonnen zu haben? Ca. 20% bejahten diese Frage und drückten Bedauern darüber aus, sich für ein dauerhaftes Nierenersatzverfahren entschieden zu haben. Eine Korrelation mit demographischen Faktoren zeigte sich nicht. Es konnte also keineswegs festgestellt werden, dass bspw. nur hochbetagte Patient:innen die Entscheidung zur Dialysetherapie bereuen. Es fiel allerdings auf, dass zu dieser Gruppe v.a. Patient:innen zählten, die das Gefühl hatten, diese Entscheidung maßgeblich zuliebe ihrer Familienmitglieder oder Ärzt:innen getroffen zu haben. Patient:innen die hingegen angaben, sich nach einem ausführlichen ärztlichen Gespräch für eine Dialysetherapie entschieden zu haben, bedauerten ihren Beschluss mit geringerer Wahrscheinlichkeit. Daraus lässt sich folgern, dass informierte und selbstbestimmte Patient:innen insg. zufriedener mit der Entscheidung für eine dauerhafte Dialysetherapie sind.
Auch wenn das Studiendesign keine kausalen Schlüsse zulässt, betont die Studie die Wichtigkeit ausführlicher und auch wiederholter Aufklärungs- und Beratungsgespräche von ärztlicher Seite aus. Die partizipative Entscheidungsfindung ist gerade bei solch folgenschweren Entscheidungen wie der Einleitung eines chronischen Nierenersatzverfahrens ein sinnvolles Modell. Hierbei sind eine ausführliche und unvoreingenommene Beratung sowie ein Abwägen von Vor- und Nachteilen nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch für die Patientenzufriedenheit unabdingbar. Auch das Ansprechen von unangenehmen Themen wie bspw. der voraussichtlichen Lebenserwartung sind Bestandteil des sog. Shared Decision-makings, das Patient:innen befähigen soll, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Diese liegen am Ende nämlich immer in den Händen der Betroffenen, was nicht zuletzt durch das Selbstbestimmungsrecht geregelt ist.
Auch diese Studie weist uns darauf hin, dass überzeugte Patient:innen von ihren gereiften Therapieentscheidungen mehr profitieren als überredete Patient:innen.
Ausführlichere Informationen zu den verschiedenen Modellen der Arzt-Patient-Beziehung und dem Prinzip des Shared Decision-making finden sich bei AMBOSS.