Arbeitszeitmodelle in der Klinik

Maria Strandt - Sonntag, 30.10.2022
Lächelnde Ärztin auf einem nächtlichen Krankenhausflur. Arbeitszeitmodelle im AMBOSS-Blog.

Tag und Nacht im Krankenhaus – Ärzt:innen arbeiten 365 Tage im Jahr. Welche Arbeitszeitmodelle machen das möglich?

Kliniken müssen rund um die Uhr besetzt sein: Neben der Fülle und Komplexität der Aufgaben tragen lange und unregelmäßige Dienstzeiten erheblich zur Arbeitsbelastung bei. Wer sich auf eine Stelle bewirbt, sollte daher auch das Arbeitszeitmodell in der Abteilung erfragen und bei der Entscheidung berücksichtigen.

Auf einen Blick

  1. Wer bestimmt die Arbeitszeiten von Ärzt:innen?
  2. Welche Arbeitszeitmodelle gibt es?
  3. Arbeitszeitmodell Schichtsystem: In welchen Schichten arbeiten Ärzt:innen?
  4. Wie viele Stunden dürfen Ärzt:innen arbeiten?
  5. Wie viele (Nacht-)Dienste müssen Ärzt:innen im Monat leisten?
  6. Wie lange haben Ärzt:innen nach einem 24-h-Dienst frei?
  7. Welche flexiblen Arbeitszeitmodelle können Kliniken ermöglichen?

Wer bestimmt die Arbeitszeiten von Ärzt:innen?

Gerade weil die Arbeit im Krankenhaus kein klassischer Nine-to-five-Job ist, müssen Gesetze und Verträge die jeweiligen Arbeitszeitmodelle detailliert regeln. Grundlage ist zunächst das Arbeitszeitgesetz, das etwa Höchstarbeits- und Ruhezeiten festlegt. Ein Tarifvertrag darf davon jedoch in einigen Bereichen abweichen. Je nach Klinik gelten unterschiedliche Tarifverträge, etwa von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und dem öffentlichen Dienst, oder die Arbeitsvertragsrichtlinien der kirchlichen Träger.

Welche Arbeitszeitmodelle gibt es?

Grundsätzlich lassen sich die Arbeitszeitmodelle der Kliniken in Dienst- und Schichtbetrieb unterteilen. Hinter dem Dienstmodell steckt die Annahme, dass die meiste Arbeit im Tagdienst anfällt und Ärzt:innen nachts nur noch Notfälle versorgen müssen. Wir geben einen Überblick über die häufigsten Dienstformen:

Der Tagdienst – häufig auch Frühdienst genannt – dauert für gewöhnlich von morgens bis nachmittags und umfasst die im Arbeitsvertrag festgelegten Stunden. In dieser Zeit fällt “das Tagesgeschäft” an, also zum Beispiel Stationsarbeit, planmäßige Operationen und andere Eingriffe.

In einigen Häusern gibt es einen Spätdienst, bei dem einzelne Mitarbeitende entweder nach ihrem Tagdienst noch einige Stunden weiterarbeiten oder erst später kommen und bis abends bleiben. Dabei übernehmen sie etwa Stationsarbeit, die der Frühdienst nicht rechtzeitig erledigen konnte, oder sind in der Ambulanz und Notfallversorgung tätig und entlasten damit den Nachtdienst.

Der Nachtdienst deckt je nach Abteilung lediglich die Nacht ab oder beginnt bereits mittags oder morgens. Liegt der Arbeitsbeginn am Morgen, handelt es sich meist um einen 24-h-Dienst.

Der 24-h-Dienst kombiniert den Tag- und Nachtdienst. Während des Tagdienstes erledigen die Diensthabenden die regulär anfallenden Aufgaben und leisten anschließend einen Bereitschaftsdienst bis zum nächsten Morgen. 

Bereitschaftsdienst bedeutet, dass Ärzt:innen sich in der Klinik für Aufgaben bereithalten. Die Tarifverträge für kommunale Krankenhäuser und Universitätskliniken schreiben vor, dass Arbeitgeber nur dann Bereitschaftsdienst anordnen dürfen, wenn “zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.”1 Die Vergütung für einen Bereitschaftsdienst richtet sich nach dem erwarteten Anteil der aktiven Arbeit. 

Anders als beim Bereitschaftsdienst halten sich Ärzt:innen beim Rufdienst nicht in der Klinik auf. Sie müssen allerdings jederzeit erreichbar sein und bei Bedarf ins Krankenhaus fahren. Für die Zeit der Erreichbarkeit erhalten sie eine Pauschale, für die tatsächliche Arbeitszeit eine höhere Vergütung. Rufdienste gibt es unter anderem in chirurgischen Fächern, um Mitarbeitende zu Operationen hinzuzuziehen, oder in der Radiologie, um auch nachts beispielsweise CTs mit Kontrastmittel durchführen zu können. Auch der Hintergrunddienst leistet häufig Rufdienste.

Den Hintergrunddienst leisten in der Regel Oberärzt:innen, in kleineren Häusern auch Chefärzt:innen. Sie beraten und unterstützen die Ärzt:innen im Bereitschaftsdienst.

Wer Wochenend- und Feiertagsdienste übernimmt, muss damit rechnen, dass das Krankenhaus schwächer besetzt ist als unter der Woche. Die Diensthabenden arbeiten meist im Tag-, Nacht- oder 24-h-Dienst und decken oft nicht nur die Stationen, sondern auch Ambulanz oder Notaufnahme ab. Zu ihrer Entlastung gibt es in einigen Häusern sogenannte Visiten- oder Hausdienste, die für einige Stunden die Stationsarbeit übernehmen.

Wer Sorge hat, im ersten Nachtdienst einen Notfall versorgen zu müssen, kann sich mit unserer Kapitelserie zum Notfallmanagement vorbereiten. Im Übersichtskapitel finden sich Links zu allen Aspekten des cABCDE-Schemas.

ZUM AMBOSS-KAPITEL

Arbeitszeitmodell Schichtsystem: In welchen Schichten arbeiten Ärzt:innen?

Das Schichtsystem ist unter anderem auf Intensivstationen vorherrschend. Bereitschaftsdienste würden hier schlicht nicht funktionieren, denn für die Versorgung Schwerkranker muss rund um die Uhr ausreichend Personal zur Verfügung stehen. Verbreitet sind sowohl Modelle mit zwei Schichten, die jeweils zwölf Stunden dauern, als auch solche mit drei Schichten à acht Stunden. Wann die Arbeit jeweils beginnt, unterscheidet sich von Klinik zu Klinik. Vorteile des Schichtsystems im Vergleich zum Dienstmodell sind die kürzeren Arbeitszeiten, da Bereitschafts- und 24-h-Dienste entfallen und nach acht beziehungsweise zwölf Stunden eine Ablösung eintrifft. Allerdings ist das Gehalt im Schichtdienst geringer, da die zusätzliche Vergütung für die Bereitschaftsdienste wegfällt und lediglich Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschläge das Grundgehalt aufbessern.

Wie viele Stunden dürfen Ärzt:innen arbeiten?

Die täglich zulässige Arbeitszeit ist tarifvertraglich geregelt und hängt vom Arbeitszeitmodell, also Schichtsystem oder Dienstmodell, ab. Die Tarifverträge des Marburger Bunds für die kommunalen Krankenhäuser sowie die Universitätskliniken erlauben maximal zwölf Stunden lange Schichten ausschließlich der Pausen an höchstens vier Tagen hintereinander. Wer Bereitschaftsdienst leisten muss, darf zuvor nicht mehr als acht Stunden regulär arbeiten. Die Kombination aus regulärer Arbeitszeit und Bereitschaftszeit darf 24 Stunden am Tag nicht überschreiten. Ein achtstündiger Frühdienst zuzüglich einer halben Stunde Pause und ein anschließender 15,5 Stunden dauernder Bereitschaftsdienst sind also erlaubt.

Sobald die tägliche Arbeitszeit sechs Stunden überschreitet, ist eine Pause gesetzlich vorgeschrieben – das gilt auch für den Bereitschaftsdienst. Viele Ärzt:innen schaffen es dennoch regelmäßig nicht, Pausenzeiten einzuhalten. Wer im Rahmen einer Bewerbung hospitiert, sollte also die Gelegenheit nutzen und die Assistenzärzt:innen vor Ort fragen, ob sie ihre Pausen nehmen können.  

Das Arbeitszeitgesetz erlaubt inklusive der Bereitschaftsdienste maximal 48 Arbeitsstunden in der Woche. Allerdings handelt es sich hier um einen Durchschnittswert. Arbeitnehmende können also durchaus in einer Woche deutlich mehr Stunden arbeiten, sofern diese innerhalb eines bestimmten Zeitraums – meist zwischen sechs Monaten und einem Jahr – ausgeglichen werden. Um die maximal zulässige wöchentliche Arbeitszeit darüber hinaus zu erhöhen, greifen viele Krankenhäuser auf die sogenannte Opt-out-Regelung zurück (englisch für “aussteigen”). Je nach Tarifvertrag kann diese die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 60 Stunden heraufsetzen, wenn Arbeitnehmende schriftlich zustimmen. Lehnen sie die Opt-out-Regelung ab, dürfen ihnen rein juristisch gesehen keine Nachteile daraus entstehen. 

Wie viele (Nacht-)Dienste müssen Ärzt:innen im Monat leisten?

Auf welches Arbeitszeitmodell eine Abteilung zurückgreift und wie viele Dienste die einzelnen Mitarbeitenden leisten müssen, hängt unter anderem von Bettenzahl, Abteilungskooperationen und Besetzung ab. Wie viele Patient:innen zu betreuen sind und ob es auch eine Notaufnahme oder Intensivstation gibt, beeinflusst, wie viele Ärzt:innen im Dienst sein müssen. Wenn Diensthabende nachts oder am Wochenende mehrere Stationen betreuen, ist in dieser Zeit weniger Personal notwendig. In kleinen Teams fallen pro Person mehr Bereitschafts- oder Nachtdienste an als in großen Abteilungen. 

Die Tarifverträge regeln auch die zulässige Anzahl der Dienste: So sollen Ärzt:innen pro Monat höchstens vier Bereitschaftsdienste leisten und an maximal zwei Wochenenden arbeiten. Ist allerdings die Patientensicherheit gefährdet, dürfen Arbeitgeber weitere Dienste anordnen.

Wer sich auf eine Stelle bewirbt, sollte sich nach Möglichkeit aktuelle Dienstpläne zeigen lassen: Daran lässt sich bereits ungefähr erkennen, wie viele Dienste Mitarbeitende real leisten und wie lange sie im Anschluss frei haben. Gibt es eine Intensivstation, lohnt es sich zu erfragen, wer diese in der Nacht und am Wochenende betreut. Gerade Berufsanfänger:innen kann es helfen, wenn dort noch erfahrenere Ärzt:innen erreichbar sind und sie nicht für jede Frage den Hintergrunddienst anrufen müssen.

Wie lange haben Ärzt:innen nach einem 24-h-Dienst frei?

Grundsätzlich sieht das Arbeitszeitgesetz zwischen zwei Arbeitseinsätzen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden vor. Unter bestimmten Umständen dürfen Krankenhäuser diese Zeit um eine Stunde verkürzen. Für gewöhnlich gilt: Endet ein Dienst beispielsweise am Mittwochmorgen, so ist der Rest des Mittwochs frei. Noch immer ist es gängige Praxis, dass Arbeitgeber den freien Mittwoch als Minusstunden zählen. Nach Ansicht des Marburger Bunds dürfen allerdings durch Bereitschaftsdienste keine Minusstunden entstehen. Der Arbeitgeber darf lediglich die Bezahlung für die fehlenden acht Stunden am Mittwoch von der Vergütung des Bereitschaftsdienstes abziehen. Wer Zweifel daran hat, ob das Dienstmodell in der eigenen Klinik rechtmäßig ist, kann sich als Mitglied einer Gewerkschaft hierzu beraten lassen.

Ob am Donnerstagmorgen nach dem freien Mittwoch der nächste Früh- oder Bereitschaftsdienst ansteht, hängt auch vom persönlichen Arbeitszeitmodell ab: Wer in Vollzeit beschäftigt ist, muss höchstwahrscheinlich am Donnerstag wieder arbeiten. Immer mehr Ärzt:innen entscheiden sich daher, ihre Stunden zu reduzieren, um ihre Arbeitsbelastung zu senken.

Welche flexiblen Arbeitszeitmodelle können Kliniken ermöglichen?

Das Arztbild wandelt sich langsam: Gerade die jüngere Generation möchte die hohe Arbeitsbelastung nicht mehr im bisherigen Ausmaß mittragen und fordert unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Um Fachkräfte zu halten, sehen daher immer mehr Kliniken Handlungsbedarf: Neben Teilzeitstellen bieten einige Häuser flexible Modelle wie das Jobsharing an, bei dem zwei Mitarbeitende sich eine Stelle teilen. Ein versetzter Dienstbeginn kann beispielsweise Mitarbeitende entlasten, die morgens Kinder in den Kindergarten bringen müssen. 

Lange Arbeitszeiten sind im ärztlichen Beruf noch immer der Normalfall. Verbesserungen müssen sich Arbeitnehmende und Gewerkschaften hart erkämpfen. So haben in diesem Jahr Ärzt:innen sowohl in kommunalen Krankenhäusern als auch an der Charité gestreikt, damit sich an ihren Arbeitsbedingungen etwas ändert – zum Beispiel an den Arbeitszeitmodellen. Zumindest die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber konnten so bereits Teilerfolge verzeichnen: Beispielsweise steht ihnen nun mehr Urlaub zu und sie müssen pro Monat nur noch eine begrenzte Anzahl an Bereitschaftsdiensten leisten. Die Entwicklungen an der Charité bleiben abzuwarten. Fest steht: Ärzt:innen verlangen immer lauter Entlastung; es ist an der Zeit, dass sie bei Kliniken und Politik Gehör finden.


Quellen

  1. Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Marburger Bund. Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA)vom 17. August 2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 8. Mai 2022.