HPV: Eine lokale und globale Herausforderung

Maria Strandt - Sonntag, 26.2.2023
Ein Glasbehältnis mit einer Dosis HPV-Impfstoff steht vor einer Spritze. HPV im AMBOSS-Blog.

Krebs und Kondylome: HPV-Infektionen können teils lebensbedrohliche Erkrankungen verursachen. Wie kann die Prävention gelingen?

Die meisten sexuell aktiven Menschen stecken sich mindestens einmal im Leben mit humanen Papillomaviren (HPV) an. Die Mehrheit der Infektionen bleibt asymptomatisch und heilt folgenlos aus. Persistierende Infektionen verursachen allerdings allein in Deutschland knapp 8.000 Krebserkrankungen.1 Der Welt-HPV-Tag am 4. März erinnert daher an Möglichkeiten der Prävention und Früherkennung. Im AMBOSS-Podcast nehmen wir zu diesem Anlass HPV unter die Lupe. 

Auf einen Blick

  1. Wie HPV übertragen wird 
  2. Die HPV-Impfung: Sicher und wirksam
  3. Eine Frage der Gerechtigkeit: die HPV-Impfung für Jungen
  4. Wie sich die HPV-Impfquote verbessern lässt
  5. HPV-Tests in der Zervixkarzinom-Früherkennung
  6. HPV und Zervixkarzinom: globale Ungleichheit
  7. Direkt zur Podcastfolge

Wie HPV übertragen wird 

Die Gruppe der humanen Papillomaviren umfasst über 200 Subtypen. Niedrigrisikotypen wie zum Beispiel HPV Typ 6 und 11 können Kondylome verursachen. Eine persistierende Infektion mit Hochrisikotypen wie HPV Typ 16 und 18 kann zu Karzinomen der Zervix, Vagina, Vulva beziehungsweise des Penis sowie im Bereich von Anus und Oropharynx führen. Der häufigste HPV-assoziierte Tumor ist das Zervixkarzinom, das in fast allen Fällen auf HPV zurückzuführen ist.1 Die Viren werden überwiegend beim Sexualkontakt übertragen und infizieren je nach Sexualpraktik den Anogenitalbereich oder die Mundhöhle. Kondome machen eine Übertragung zwar unwahrscheinlicher, schützen aber nicht vollständig: Um sich anzustecken, kann bereits enger Körperkontakt ausreichen.1 Selten kommen auch Schmierinfektionen, etwa durch kontaminierte Gegenstände, oder eine Transmission unter der Geburt von der Gebärenden auf das Neugeborene vor.

Wie häufig HPV-Infektionen sind und wie Kondylome sich behandeln lassen, zeigt das AMBOSS-Kapitel Infektion mit humanen Papillomaviren.

ZUM AMBOSS-KAPITEL

Die HPV-Impfung: Sicher und wirksam

Bereits kurz nachdem sie ihre sexuelle Aktivität aufgenommen haben, stecken sich viele Menschen mit HPV an.1 Damit die HPV-Impfung effizient schützen kann, sollte sie also möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen. Die STIKO empfiehlt daher eine Impfung aller Kinder und Jugendlichen zwischen 9 und 14 Jahren und das Nachholen einer verpassten Grundimmunisierung spätestens bis zum 18. Geburtstag. In Deutschland stehen zwei Impfstoffe zur Verfügung: ein bivalenter, der gegen HPV Typ 16 und 18 immunisiert, und ein neunvalenter, der weitere Hochrisikotypen sowie die Niedrigrisikotypen HPV 6 und 11 umfasst. Die Impfung schützt nahezu hundertprozentig vor einer Infektion mit den im Impfstoff enthaltenen HPV-Subtypen.2 Dass eine frühzeitige Impfung tatsächlich auch Krebs verhindern kann, zeigen Daten aus Großbritannien: Erhielten 16- bis 18-jährige Mädchen eine Impfung, sank ihre Gebärmutterhalskrebsrate in den kommenden Jahren um immerhin ein Drittel. Bei den 12- bis 13-Jährigen reduzierte sie sich deutlich stärker um 87%.3

Eine Frage der Gerechtigkeit: die HPV-Impfung für Jungen

Bis 2018 empfahl die STIKO, ausschließlich Mädchen gegen HPV zu impfen, um sie vor Zervixkarzinomen zu schützen. So sollte sich gleichzeitig eine Herdenimmunität auch für Jungen aufbauen.4 Warum sollen nun alle Geschlechter eine Impfung erhalten? Die STIKO begründete ihre Entscheidung unter anderem mit der Geschlechtergerechtigkeit: Die niedrigen Impfquoten der Mädchen reichen nicht für eine wirksame Herdenimmunität aus. Durch einen direkten Zugang zur Impfung können Jungen und Männer einen eigenen Impfschutz gegen HPV und potenzielle Folgeerkrankungen entwickeln. Darüber hinaus profitieren Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), kaum von einer reinen Mädchenimpfung. Gleichzeitig ist die HPV-Prävalenz in dieser Gruppe erhöht – Jungen zu impfen, verhindert also HPV-Infektionen bei späteren MSM. Nicht zuletzt nimmt die Impfung für Jungen und Mädchen alle Geschlechter in die Verantwortung, die HPV-assoziierte Krankheitslast zu reduzieren.5

Wie sich die HPV-Impfquote verbessern lässt

Obwohl die HPV-Impfung sich in der Krebsprävention so erfolgreich gezeigt hat, bewegen sich die Impfquoten in Deutschland weiterhin auf niedrigem Niveau: 2021 waren lediglich die Hälfte der 14-jährigen Mädchen und ein Viertel der gleichaltrigen Jungen geimpft.6 Länder mit Schulimpfprogrammen wie Australien, Norwegen oder Schweden können deutlich höhere Impfquoten vorweisen: In Australien waren beispielsweise bereits 2016 fast vier von fünf Mädchen und drei von vier Jungen geimpft.5 Die S3-Leitlinie zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien fordert daher, auch in Deutschland Schulimpfungen einzuführen. Außerdem sollte das medizinische Personal 9- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche bei jedem Arztbesuch auf die HPV-Impfung hinweisen. Die ärztliche Empfehlung gibt schließlich häufig den Ausschlag für die Impfentscheidung. Die Aufklärungsarbeit könnte sich lohnen: Würden sich 80% aller Jugendlichen impfen lassen, ließen sich dadurch die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 eliminieren.7

HPV-Tests in der Zervixkarzinom-Früherkennung

Die Impfung macht das Screening auf ein Zervixkarzinom allerdings nicht überflüssig. Geimpfte sollten genauso wie Ungeimpfte die Früherkennung wahrnehmen, da neben den in der Impfung enthaltenen HPV-Typen auch andere HPV-Subtypen potenziell kanzerogen sind. Seit 2020 unterscheidet sich das Vorgehen je nach Patientenalter: Patient:innen zwischen 20 und 25 Jahren erhalten weiterhin jährlich einen Pap-Abstrich, Patient:innen ab 35 Jahren alle drei Jahre eine kombinierte Untersuchung mittels Pap-Abstrich und HPV-Test. Einem Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zufolge ist ein zusätzlicher HPV-Test gegenüber einem alleinigen Pap-Abstrich  effektiver.8 Da HPV-Tests zudem sehr sensitiv sind und einen hohen negativen prädiktiven Wert haben, hielt der gemeinsame Bundesausschuss eine Verlängerung des Testintervalls von einem auf drei Jahre für vertretbar. Jüngere Frauen auf HPV zu testen, berge hingegen das Risiko einer Übertherapie. Schließlich erkranken sie häufiger an HPV, die Infektionen heilen allerdings meist wieder aus.9 

Was zu tun ist, wenn das Screening auf eine Krebsvorstufe positiv auffällt, zeigt das AMBOSS-Kapitel Zervixkarzinom.

ZUM AMBOSS-KAPITEL

HPV und Zervixkarzinom: globale Ungleichheit

Vor 30 Jahren war das Zervixkarzinom in Deutschland noch das häufigste Karzinom der Frau – durch Impfung und Früherkennung ließ es sich inzwischen auf den 14. Platz zurückdrängen.10 Weltweit liegt es allerdings immer noch auf dem 4. Platz, wobei die Krankheitslast sehr ungleich verteilt ist: 2020 entfielen 9 von 10 Todesfällen aufgrund eines Zervixkarzinoms auf Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, wo Präventionsmaßnahmen häufig nicht im gleichen Ausmaß zugänglich sind.11 So waren 2021 weltweit lediglich 15% der 15-jährigen Mädchen und nur 4% der Jungen geimpft.12 Auch unbehandelte HIV-Infektionen tragen zur globalen Krankheitslast bei. Sie gehen mit einer sechsfach erhöhten Wahrscheinlichkeit einher, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken.11 Die WHO hat daher eine ehrgeizige Strategie zur Eliminierung von Zervixkarzinomen veröffentlicht: Bis zum Jahr 2030 sollen 90% der Mädchen im Alter von 15 Jahren geimpft sein, 70% der Frauen sollen am Screening auf Gebärmutterhalskrebs teilnehmen und 90% der Menschen mit Zervixkarzinomen und Krebsvorstufen eine Therapie erhalten.13 Bis HPV Geschichte ist, bleibt also noch einiges zu tun.

Die Podcastfolge "HPV – eine lokale und globale Herausforderung"

Im AMBOSS-Podcast sprechen wir darüber, ob auch Erwachsene noch von der HPV-Impfung profitieren und wie in Schweden möglicherweise bereits in fünf Jahren das Zervixkarzinom eliminiert werden könnte.14

Kostenfrei hören auf:

Spotify Apple podcast Deezer Google podcast

 

Quellen

  1. Humane Papillomviren, RKI-Ratgeber. Robert Koch-Institut. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_HPV.html. Published June 28, 2018. Accessed February 21, 2023. 
  2. Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Erreger und Impfung. RKI. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/HPV/FAQ-Liste_HPV_Impfen.html. Published September 12, 2022. Accessed February 21, 2023. 
  3. Falcaro M, Castañon A, Ndlela B, et al. The effects of the national HPV vaccination programme in England, UK, on cervical cancer and grade 3 cervical intraepithelial neoplasia incidence: a register-based observational study. Lancet. 2021;398(10316):2084-2092. doi:10.1016/S0140-6736(21)02178-4
  4. HPV-Impfempfehlung für Jungen veröffentlicht. Robert Koch-Institut. June 2018. https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2018/07_2018.html. Accessed February 21, 2023. 
  5. AG HPV der Ständigen Impfkommission (STIKO): Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Epid Bull 2018;26:233 – 250 | DOI 10.17886/EpiBull-2018-032.1
  6. Grafik des Monats - Januar 2023. Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung Zi. https://www.zi.de/das-zi/medien/grafik-des-monats/detailansicht/januar-2023. Published 2023. Accessed February 21, 2023. 
  7. Gross GE, Werner RN, Avila Valle GL, et al. Evidenz- und konsensbasierte (S3) Leitlinie: Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien. J Dtsch Dermatol Ges. 2021;19(3):479-494. doi:10.1111/ddg.14438_g
  8. HPV-Test: IQWiG sieht weiterhin Hinweise auf Nutzen im Primärscreening. IQWiQ. June 2014. https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_10691.html. Accessed February 21, 2023. 
  9. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie und eine Änderung der Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme: Programm zur Früherkennung von Zervixkarzinomen. https://www.g-ba.de/beschluesse/3597/ November 2018. 
  10. Deutsches Krebsforschungszentrum Krebsinformationsdienst. Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). Gebärmutterhalskrebs: Symptome, Früherkennung, Therapie. https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/gebaermutterhalskrebs/index.php. Published February 8, 2022. Accessed February 15, 2023. 
  11. Cervical cancer. World Health Organization. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/cervical-cancer. Published February 22, 2022. Accessed February 21, 2023. 
  12. Human papillomavirus (HPV) vaccination coverage. World Health Organization. https://immunizationdata.who.int/pages/coverage/hpv.html. Accessed February 21, 2023. 
  13. Global strategy to accelerate the elimination of cervical cancer as a public health problem. Geneva: World Health Organization; 2020. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.
  14. HPV self-sampling in Sweden leading to faster elimination of cervical cancer. World Health Organization. September 2022. https://www.who.int/europe/news/item/08-09-2022-hpv-self-sampling-in-sweden-leading-to-faster-elimination-of-cervical-cancer. Accessed February 21, 2023.